Mit aller Kraft setzt Steffi Tomljanovic das riesige, stählerne Rolltor in Bewegung, um uns die Einfahrt zu ihrem Reich zu ermöglichen. Wir wollen ihr zur Hand gehen, doch sie winkt ab und ruft lachend: „Wenn es rollt, dann rollt es.“ Recht hat sie und wir werden während unseres Besuches bei der Gründerin der Firma Malzit noch des Öfteren an diese Worte zurückdenken.
Malzit
von Maximilian Schmidt
Auf einem großen Gelände am Rande der Ortschaft Bräunrode im Mansfelder Land lebt und arbeitet die Familie Tomljanovic, betreibt eine Schlosserei und seit 16 Jahren auch die Firma Malzit. Zwei stählerne, blaue Türen flankieren den Verkaufsraum. In hölzernen Regalen stehen die teils bauchigen Gläser, gefüllt mit verschiedenen Fruchtgelees. Holunder, Mirabelle, Birne, Pflaume, Johannisbeere, Quitte ... – und natürlich Malzit. Die Erfinderin des inzwischen weithin bekannten Brotaufstrichs verrät sogleich freimütig das Geheimnis dieses Gelees: "Ich koche Malzit nicht aus Bier, sondern aus der Braumaische, einem Malz-Wasser-Gemisch. Und das ist weltweit einmalig!" Steffi Tomljanovic hält sogar ein Patent auf ihre Erfindung, die es derzeit in neun verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt. Ob pur, fruchtig mit Holunderbeere oder mit Ingwer oder würzig mit Chili... – allesamt sind sie mit der Regionalmarke Typisch Harz ausgezeichnet.
Wir würden gern probieren? „Sehr gern. Darauf setze ich. Auch auf den Märkten. Denn wie sollten Kunden sich besser überzeugen, als durch die eigene Sinneserfahrung?“, entgegnet Steffi Tomljanovic und öffnet im gleichen Moment ein Glas mit Birnen-Malzit. Es schmeckt nicht zu süß, eher fruchtig frisch. "Nicht alle Sorten sind im Einzelhandel erhältlich, manche gibt es nur bei mir im Laden oder am Marktstand."
Über den Hof um die Schlosserei ihres Mannes Hartmut herum gelangen wir zum Eingang der Malzit-Küche. Auf rund 20 Quadratmetern kocht Steffi Tomljanovic zusammen mit ihrer Mitarbeiterin. Nebenan befinden sich Lager und Packraum. Der Duft von Quitte steigt uns in die Nase. „Es ist das letzte Obst der Saison. Die Quitten können wir etwa bis Februar lagern und sie somit nach Bedarf frisch verarbeiten“, berichtet die Chefin, während sie mit einem Kochlöffel in einem stählernen Topf rührt. Aus den Früchten kocht sie Saft, aus dem dann entweder gleich Fruchtgelee und Malzit entstehen, oder der in großen Gläsern für die spätere Produktion abgefüllt wird. „Die Töpfe, die Tische und hier meine Etikettiermaschine hat mein Mann für mich angefertigt.“ Und ergänzt mit strahlenden Augen: „Es ist gut, einen Schlosser in der Familie zu haben.“
Den Traum von der Selbstständigkeit hegte das Ehepaar bereits zu DDR-Zeiten. Doch lange wurde ihnen dieser Wunsch verwehrt, denn ihr Antrag auf Eröffnung einer eigenen Schlosserei blieb unbearbeitet. Erst 1989 erhielten sie unverhofft die Erlaubnis, ein Gewerbe zu gründen. Sie tauschten zwei Flurgrundstücke und errichteten auf dem heutigen Gelände in Bräunrode mit viel Kraft und Enthusiasmus ihre Werkstatt. Das Geschäft boomte. Mit großen Aufträgen in der gesamten Region beschäftigten sie bald 14 Mitarbeiter. Dann, zur Jahrtausendwende, kamen die Probleme. Kunden bezahlten ihre Rechnungen nicht. Mitarbeiter mussten entlassen werden. „Das waren schwere Jahre“, erinnert sich Steffi Tomljanovic. Die gelernte Bankkauffrau mit EDV-Erfahrung, bis dahin bei ihrem Mann beschäftigt, sollte schnell vermittelt werden. Wäre es nach der Agentur für Arbeit gegangen, hätte Steffi Tomljanovics sofort in Stuttgart oder Bonn arbeiten können. Doch das kam für die resolute Harzerin gar nicht in Frage. Denn in Bräunrode ist sie zu Hause! Und so ging Sie aus der Not heraus nicht nach Süddeutschland, sondern vor die Haustür und sammelte Obst in der Natur. Wie sie es von ihrer Mutter und Großmutter gelernt hatte, kochte sie aus Kirschen, Beeren und Quitten Gelees. Sie gründete im Dezember 2004 die Firma "Tommi´s Fruchtgelee" und bot ein halbes Jahr später auf einem Markt im Nachbarort stolz ihre ersten selbstgefüllten Gläser an. „Mit 50 Euro kam ich nach Hause!“, erinnert sie sich, noch immer begeistert. Der Funke sprang über und entfachte ein Feuer. Nun wurde im Akkord gekocht, probiert, getüftelt, verworfen und so manches Lehrgeld bezahlt, denn: "ob man für sich selbst kocht oder professionell für andere, ist ein himmelweiter Unterschied." Entmutigen ließ sie sich dadurch auf jeden Fall nicht, eher anstacheln und suchte beispielsweise auf Messen fachlichen Rat.
Dem Gelee-Kochen folgte die Malzit-Erfindung. „Die Geschichte begann mit einem Glas Weingelee, das meine Tochter aus dem Urlaub mitbrachte“, erzählt Steffi Tomljanovic. „Aber das hat mir nicht geschmeckt“, gesteht sie. Dennoch ließ sie der Gedanke an das außergewöhnliche Gelee nicht los und sie begann, mit Biermaische zu experimentieren. In Familie Gehring, die in Wippra eine ebenfalls mit mehreren Typisch Harz-Siegeln gesegnete Traditions- und Museumsbrauerei betreibt, fand sie für ihre ersten Versuche Partner, die ihr 30 Liter Maische zur Verfügung stellten. Dieses Malz-Wasser-Gemisch bildet eigentlich die Basis fürs Brauen. Nun aber sollte daraus ein Brotaufstrich gelingen. Der Clou: Die Tüftlerin verwendet kein fertiges Bier, weil der Hopfen zu viele Bitterstoffe enthält. Stattdessen wird der Brauprozess abgebrochen und in die Malzit-Herstellung umgelenkt.
Als ihr Sohn herausfand, dass dieses Verfahren vor ihnen noch niemand nutzte, reifte in Steffi Tomljanovic der Entschluss, ein Patent anzumelden. Nach weiteren Nachforschungen, mit viel Herzblut und langem Atem, noch dazu mit erheblichem finanziellen Aufwand gelang es schließlich, den Herstellungsprozess patentrechtlich zu schützen. Ein Kraftakt für Steffi Tomljanovic zwar, aber ein wichtiger Schritt, mit dem sie ihre Firma weiter ins Rollen brachte. Dass sie ihr Patent gleich für eine ganze Reihe Länder angemeldet hat, lässt ihre Visionen erahnen.
In ihrer Küche kocht die Malzit-Erfinderin mittlerweile rund 250 Gläser pro Woche. „Wir könnten mehr produzieren. 600 bis 1.000 Gläser am Tag“, weiß Steffi Tomljanovic. „Aber die Produktion ist das eine, viel aufwendiger ist der Verkauf.“ Dem Office-Drucker der Schlosserei entlockte sie die ersten Etiketten, bot ihre Waren auf diversen Märkten an. Mittlerweile liefert eine Druckerei die Aufkleber und seit 2008 finden sich ihre Produkte in den Regalen großer Handelsketten, zwischenzeitlich in rund einhundert Einkaufsmärkten weit über die Grenzen des Harzes hinaus! Auf diese Weise verdient sie sich nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern wirbt erfolgreich für die Region und die Marke Typisch Harz.
Richtig ins Rollen kamen Produktion und Vertrieb mit einem Auftritt in der Gründer-Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“. Vor laufenden Kameras stellte die Harzerin ihr Produkt vor und war dabei richtig nervös, erfahren wir und auch, dass erst der zweite Anlauf glückte. Aber ihre Hartnäckigkeit sollte sich auszahlen. Die Geschäftsidee fand Gehör. Steffi Tomljanovic aus Bräunrode überzeugte die Investoren in Köln. Um die zusätzliche bundesweite Nachfrage bedienen zu können, wurde ein Teil der Produktion in eine größere Manufaktur nach Berlin ausgelagert. „Das war eine aufregende Zeit. Eine Zeit, in der ich viele Erfahrungen sammeln konnte. Doch schon bald beschlich mich ein komisches Gefühl, wenn ich ein Glas mit meinem Namen in der Hand hielt, obwohl ich es nicht selbst hergestellt hatte.“ Dann passierten die ersten Fehler, Probleme tauchten auf. So schnell wird sie die Produktion jedenfalls nicht mehr aus der Hand geben. Gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin kümmert sie sich nun wieder selbst ausschließlich in Bräunrode um Herstellung und Vertrieb.
Steffi Tomljanovic freut sich über den Kontakt mit ihrer Kundschaft auf Wochenmärkten und im eigenen Geschäft. Und sie freut sich, wenn ihre Produkte mit der Urlaubsregion Harz verbunden werden. Doch damit gibt sich die Botschafterin des Harzes, wie sie sich selbst nennt, keinesfalls zufrieden. Derzeit knüpft sie Kontakte nach Skandinavien, insbesondere nach Finnland, wo malzhaltige Getränke nahezu jeden Frühstückstisch komplettieren. Für das Typisch Harz-Produkt vielleicht ein neuer Markt, der erkämpft werden will...
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