© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Fleischerei Eggers Osterode

von Maximilian Schmidt

Fleischerei Eggers Osterode - Lars-Oliver Eggers mit Typisch-Harz-Produkten© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Die Temperaturen liegen leicht über dem Gefrierpunkt an diesem Freitagvormittag. Eigentlich sollte Markttag sein in Osterode, aber nur wenige Händler haben sich heute auf den Kornmarkt verirrt. Einer von ihnen dreht unermüdlich seine Würstchen auf dem Grill. „Bratwurst und Pommes?“, ruft Lars-Oliver Eggers gut gelaunt einer älteren Dame zu. „Wie immer“, entgegnet diese. „Und Du?“, wendet er sich einem Jugendlichen zu. „Einmal Currywurst mit Pommes, bitte!“, bestellt dieser etwas schüchtern, „Mama kommt später zum Bezahlen.“ „Das dachte ich mir schon.“ Ob Schüler, Angestellte und Senioren – der Duft von frisch Gegrilltem lockt sie an den leuchtend roten Stand vor der Fleischerei Eggers.

Schon in den 80er Jahren hatte Vater Eberhard die Idee für diesen Draußen-Verkauf. "Um die Genehmigung musste er zwischenzeitlich hart kämpfen", erzählt Lars-Oliver Eggers. „Heute sind wir aus dem Stadtbild kaum wegzudenken.“ Neben den Bratwürsten preist der Fleischermeister stets eine Auswahl seines Sortiments an. Er zeigt auf die Auslage. „Opas Mettwurst, Harzer Schmorwurst, Hexenstieg-Mettwurst, Harzer Bregenwurst, Wacholderschinken, Lamm-Mettwurst, Lammbratwurst. Diese Wurstsorten sind alle Typisch Harz-prämiert.“

Fleischerei Eggers Osterode - Am Würstchen-Grill vor dem Laden© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Dann greift Lars-Oliver Eggers gekonnt mit seiner Zange drei Bratwürste vom Grill und serviert sie uns auf einer Unterlage aus Pappe. Die Brötchen, in denen die Würste normaler Weise den Kunden überreicht werden, hält er demonstrativ zurück. „Probieren Sie mal! Und konzentrieren Sie sich auf die Wurst!“ Vorsichtig beißen wir ab. Die Bratwurst aus Schweine- und Rinderfleisch ist sehr fein und vor allem dezent gewürzt. „Das Rezept stammt von meinem Großvater August. Auf industriell gefertigte Gewürzmischungen verzichten wir", so der Meister und reicht uns nun die Brötchen. Die stammen übrigens aus der Bäckerei Dornemann vis-a-vis, die ebenfalls Typisch Harz-Auszeichnungen vorweisen kann. So halten die Eggers nicht nur die Produktionswege kurz, sie kreieren einen stimmigen Imbiss in hoher Qualität zu moderaten Preisen.

Das Würstchen-Stand-Konzept hat Lars-Oliver Eggers mittlerweile um einen mobilen Verkauf erweitert. So trifft man ihn einerseits von Mai bis Oktober regelmäßig donnerstags zwischen 18 und 22 Uhr in Clausthal-Zellerfeld auf dem Bergbauernmarkt an. Diese „Grüne Meile“ – begehrter Treffpunkt für Händler, Handwerker und Landwirte aus der Region – begeistert Einheimische und Touristen gleichermaßen. Andererseits wirbt der Fleischermeister auf Festen, Märkten und Events wie Walpurgis, Weihnachtsmarkt oder Tennisturnier für seine Produkte. Er sieht sich als kulinarischer Botschafter in der Region und "Typisch Harz" heißt für ihn, typisch, aber mit feinen Unterschieden: „Die Oberharzer wollen Mettwurst mit Senfkörnern, was wiederum die Harzer unten im Tal nicht so mögen.“ Aber Mettwurst essen sie alle gern. Die heißt im Ostharz übrigens Bratwurst und sorgt so für erhöhte Verwechslungsgefahr!  
„Entsprechend behutsam muss ich vorgehen und mir Vertrauen bei meinen Kunden aufbauen. Dann lassen sie sich auch mal auf etwas Neues ein", plaudert er aus dem Nähkästchen und über seine Verkaufs- und Verkostungsstrategien. "Ich weiß inzwischen, in welcher Reihenfolge ich meine Wurstsorten zum Kosten anbieten muss, um die Kunden zu überzeugen." Das kommt gut an. Immer mehr Menschen finden auch außerhalb der Markttage nach Osterode, um sich in seinem Geschäft mit Köstlichkeiten einzudecken. Hier steht dem Familienvater ein engagiertes Team zur Seite, langjährige Mitstreiter, eifrige Auszubildende und allen voran seine Eltern, die mit über 70 noch ihre ganze Kraft in das Geschäft stecken.

Fleischerei Eggers Osterode - Mutter Renate Eggers mit Catering-Platte© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Mittlerweile zieht die Kälte unter unsere Kleider. Damit wir uns drinnen aufwärmen können, ruft Lars-Oliver Eggers seinen Vater Eberhard herbei. Er bindet sich flugs die rote Schürze um und übernimmt den Posten am Stand. Indes „brennt“ im Geschäft die Luft. Mutter Renate wirbelt mit einer Mitarbeiterin durch den Laden. Seit dem frühen Morgen haben die beiden kleine Schnittchen belegt. Jetzt, viele Stunden und rund 1.650 Kanapees später, begutachten sie zufrieden die bunten Platten. Etwa 350 Gäste eines Goslarer Autohauses werden sich die leckeren Häppchen am Abend schmecken lassen. Das Catering gehört zu den jüngeren Standbeinen der Fleischerei Eggers, die seit drei Generationen die Menschen mit hochwertiger Wurst und frischem Fleisch versorgt.

Lars-Oliver Eggers’ Großeltern August und Margarete legten 1953 den Grundstein dafür, zunächst in Bad Grund. Sieben Jahre später verlegten sie ihr Geschäft in die Osteroder Altstadt und übernahmen im Haus „Am Kornmarkt 16“ den Betrieb von Familie Dörge. Nach weiteren sieben Jahren erwarben sie auch das denkmalgeschützte Gebäude mit seiner auffällig roten Holzverschalung. 1975 stieg Sohn Eberhard gemeinsam mit seiner Frau Renate in das Unternehmen ein. Ihr Sohn Lars-Oliver verbrachte von klein auf ungezählte Stunden in der Fleischerei und scheint es rückblickend nicht zu bedauern: "Das war oft spannend, vor allem, wenn mich mein Großvater August zu den Lieferanten mitnahm. Heute weiß ich, wie wichtig genau diese persönlichen Kontakte sind“, so der jetzige Firmenchef. Auch er besucht seine liefernden Landwirte aus der näheren Umgebung regelmäßig, um sich ein Bild davon zu machen, wie Schwein und Rind gehalten werden.

Lars-Oliver Eggers, seit 2002 zur Firma gehörend, bewahrt und bleibt dabei nicht stehen. Die Verarbeitung von Lammfleisch war seine Idee. Freunde von ihm bewirtschaften Singers Hof in Badenhausen und betreiben mit ihren Schafherden Landschaftspflege. „Meine Eltern reagierten verhalten und dachten ‚Was macht der Junge da wieder?‘“ Lars-Oliver Eggers lacht. Aber der Erfolg sollte ihm recht geben. „Zum Wildschwein hingegen kam ich eher zufällig. Schuld war der Wilde Stinker“, berichtet er. Das Herzberger Landhaus Schulze – ebenfalls Typisch Harz prämiert – suchte für die im neuen Regionalgericht enthaltene Wildschwein-Currywurst einen geeigneten Lieferanten. Daraufhin begann Fleischermeister Eggers zu tüfteln und zu probieren. Es hat sich gelohnt. Jetzt liefert er die Wurst für den Wilden Stinker. „Von meinem Vater habe ich die Leidenschaft für die Herstellung und von meiner Mutter die Kreativität beim Verkaufen geerbt“, resümiert er dankbar und führt uns in die Produktions- und Lagerräume im hinteren Teil des Hauses.

 

 Fleischerei Eggers Osterode - Lars-Oliver Eggers schneidet Koteletts© Schmidt-Buch-Verlag, Thorsten Schmidt

Zu den Spezialitäten der Fleischerei Eggers gehört traditionell die Harzer Mettwurst nach „Hausschlachte-Art“. Diese wird schlachtwarm zubereitet. „Damit können wir auf viele Zusatzstoffe verzichten“, erklärt Lars-Oliver Eggers. Schlachtwarme Verarbeitung – da bleiben sechs Stunden für die Herstellung. Tempo, Präzision und Organisationstalent sind gefragt. Kurze Wege und die Flexibilität eines kleinen Betriebes gereichen dem Handwerksmeister zu großem Vorteil. Die sechs Kilometer vom Schlachthof zur Fleischerei legt Lars-Oliver Eggers mit seinem kompakten Kastenwagen zurück. Das letzte Stück durch die Schildwache, die zum Hintereingang führt, hat es in sich. Überreste der historischen Stadtmauer flankieren die schmale Gasse, die in der Breite kaum mehr als ein Handtuch misst. Da heißt es Spiegel anklappen und Luft anhalten. Gekonnt rangiert er den Wagen auf den überdachten Hof. Jeder Quadratmeter ist geschickt ausgebaut und wird für die Fleischerei genutzt. Wir werfen einen Blick in die Kühlkammer. Würste hängen paarweise an Stangen, Schinken von der Decke. In der Mitte des Produktionsraumes befindet sich ein Edelstahltisch, an dem von allen Seiten gearbeitet werden kann. Im Halbkreis stehen diverse Maschinen, kleine und große, voneinander nicht weit entfernt. Lars-Oliver Eggers zeigt auf eine etwa hüfthohe Edelstahlanlage mit verschließbarer runder Öffnung. Ein Tumbler. „Mein Vater war der erste im Ort mit einer solchen Maschine!“ Darin wird die Wurst in einer Vakuum-Umgebung vermengt. Auf diese Weise behält sie lange ihr rosiges Aussehen.

An den Wänden reihen sich auf etlichen Regalmetern viele Gewürzbehälter mit eigenen Mischungen. Das hat eine lange Tradition bei Familie Eggers. Die meisten Rezepte, wie das der Bratwurst, stammen noch vom Großvater. Hin und wieder gibt es kleine Korrekturen. Und so erfahren wir von Lars-Oliver Eggers, dass er den Salzgehalt der Mettwurst reduziert hat. „Zugegeben, anfangs nicht ohne den Widerstand meiner Eltern." Neben den eigenen Gewürzmischungen sorgen auch frisch gepflückte Kräuter aus der Region für den besonderen Geschmack. In der Hexenstieg-Mettwurst steckt eben wirklich ein Stück Harzer Wald.

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