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Stolberg

1930

Das Motiv

Dieser Malerblick ist der schönste vom Fachwerk-Städtlein Stolberg – wie aus einem Bilderbuch. Der Standort bei der Lutherbuche ist zugleich Stempelstelle der Harzer Wandernadel. An dieser Stelle stand schon Luther 1525 und kam angesichts der schönen Aussicht ins Poetisieren. Auf einer Tafel an der heutigen Lutherbuche ist das nachzulesen. Das Schloss, die Kirche auf einer Terrasse darunter, die Dächer der Stadt, eingefasst von freundlichen Laubwäldern und den Bergen. Alles ist noch so wie damals, wenn auch einige Häuser hinzugekommen sein mögen. Von 1535 ist rechts das herausragende Gebäude der Alten Münze von Stolberg mit einem liebevoll eingerichteten Museum. Nur 1200 Einwohner hat die Stadt bis heute.

Es war gerade Stolbergs Schmuck – die engen Täler – die die wirtschaftliche Entwicklung hemmten, dazu die Lage weitab großer Verkehrsströme. Aber war Stolberg Residenz. Eine kleine Schar von Angestellten und Beamten sorgte für die Hofhaltung der Grafen von Stolberg-Wernigerode. Noch um 1940 waren Ställe hinter jedem Fachwerkhaus. Ziegen, Kühe und Rinder wurden täglich auf die Weide getrieben. Nur eine Keksfabrik (Friwi) gab es hier seit 1891, sie bäckt bis heute.

Aus Stolberg gingen einige Maler hervor. Ernst Helbig, der den Malerblick von Ilsenburg schuf, war der Sohn eines Gärtners. Richard Thierbach der eines Beamten. Entwicklungs- und Verkaufsmöglichkeiten für Maler gab es hier nicht. Nur Thierbach kam 1897 berühmt und erst 37 Jahre alt zurück. Er lebte hier bis zu seinem Tode 1931. Stolberg/Harz wurde das beliebteste Motiv seiner Bilder, die er weltweit ausstellte und verkaufte. Bald kamen auch andere Berliner Kollegen, immer wieder Hermann Schnee, Professor in Berlin. Die Aussichten von der Lutherbuche, ins Stolberger Thyratal oder auf die Ritterstraße wurden beliebte Malerblicke.

Stolberg, Thierbach
© Harzmuseum Wernigerode
Richard Thierbach

Künstler

1930

entstanden

Öl auf Leinwand

89,5 x 124,5 cm

Harzmuseum Wernigerode

Inv.-Nr. K 1395/28

Wandertipp

Alle drei abgebildeten Malerblick-Gemälde von Stolberg lassen sich sehr gut erwandern auf dem oberen Bandweg. Er führt einmal um Stolberg herum. Unterwegs gibt es wunderbare Aussichten, Waldwege und auch Abstiege in die Stadt. Start- und Zielpunkt ist der Bahnhof Stolberg/Harz. (11 Kilometer, 4 Stunden)

Über den Künstler

Die Landschaften von Richard Thierbach (1860-1931) zeigen fast ausnahmslos schönes Wetter. Aber nie langweilig, sondern genau beobachtet und zügig gemalt, ehe sich die Lichtverhältnisse änderten. Das war die neue realistische und impressionistische Richtung, die er an der Weimarer Kunstschule gelernt hatte, und die gerade führend in Deutschland war. Eine Preismedaille 1887 aus Weimar zum Abschluss des Studiums half ihm beim Karrierestart, der über München nach Berlin führte. Während andere Regennässe, Winter oder Vorfrühling für sich entdeckten, blieb er bei Frühling und Sommer in erstaunlicher Konsequenz und in verblüffender Vielfalt. Zuletzt ging er nach Stolberg zurück, lebte hier 40 Jahre lang und fand auch seine Motive hier. Vielleicht war es gerade dieser Sonnenschein, der zum Erfolg beitrug. Stolberg jedenfalls war seitdem auch für andere Maler aus der Ferne ein interessantes Motiv.

Die Burg als Besuchermagnet

Was faszinierte am Falkenstein? Die Burg ist eine große und sogar von mittelalterlichen Kaisern aufgesuchte Anlage, bei der sich alle Burg-Elemente erhielten: Vorburg, Zwinger, Bergfried, Palas. Sie beherbergte berühmte Persönlichkeiten, Eike von Repgow soll hier seinen ‚Sachsenspiegel‘ geschrieben haben, das wichtigste Rechtsbuch vom Mittelalter bis in die Neuzeit. Der Falkenstein bietet aber auch ein besonderes Landschaftserlebnis: Vom Bergfried soll man nach alten Reiseführern gar den Inselsberg und Erfurt sehen können, was sicher etwas übertrieben ist. Aber wahr ist: Die Burg liegt entrückt über dem Selketal inmitten ausgedehnter Laubwälder und doch zentral: Von Mägdesprung oder Ballenstedt braucht es zwei oder drei Wander-Stunden. Zudem ist der Herbst jährlich ein großartiger Maler, der zartgrüne Frühling nicht minder. Ein kleiner Gegenhang östlich der Burg ermöglicht den überraschend umfassenden Blick auf die Burg. Nicht zuletzt sorgte der Burgbesitzer schon um 1800 für Erhaltung des Bauwerks und Ausschank, sogar für Übernachtung der Wanderer. Er stellte extra einen Aufseher für Burgführungen an.

Die Mischung also macht es – wie so oft. Deshalb kamen sie von überall her: die Dresdner wie Adrian Ludwig Richter oder Ernst Ferdinand Oehme. Aus Hamburg etwa Jacob Gensler und Friedrich Wasmann, die Berliner Carl Blechen oder Adolph Menzel, die Düsseldorfer zahlreich, aus Kassel Adolph Carl oder aus Thüringen Ferdinand Bellermann und Carl Hummel, um nur die bekanntesten zu nennen. Jedes Bild wiederum vermehrte den Ruhm des Falkensteins. Übrigens war die Burg auch Drehort vieler DEFA-Märchenfilme und hat so auch die Vorstellung der heutigen Generationen von einer mittelalterlichen Burg geprägt.

Zum Vergleich

Richard Thierbach, Stolberg, nach 1897, Öl auf Leinwand, 74 x 92 cm, Privatbesitz

 Stolberg, Thierbach
© www.auktionshaus-wendl.de

Hermann Schnee, Stolberg von Osten, um 1900, Öl auf Leinwand, 57,0 x 80,0 cm, Schloß Wernigerode GmbH, zu sehen in der Dauerausstellung

Stolberg, Schnee
©  Schloß Wernigerode GmbH

Hermann Schnee (1840-1926) war dem Harz eng verbunden. Hier fand er nicht nur viele seiner Motive, allein von Stolberg gibt es ein halbes Dutzend Gemälde. Hier nahm er Wohnung sooft er in Berlin, wo er 1893 Professor wurde, abkömmlich war. Sein Sohn, der auch Maler wurde, ließ sich gar in Darlingerode dauerhaft nieder. Schnee aber pendelte zwischen der Großstadt, die in seinem Werk gar nicht vorkommt, und dem Harz, an welchem er nur die idyllischen Seiten wahrnahm. Der Sinn allein für das Schöne hat ihn von Jugend an begleitet. Aufgewachsen war er in Potsdam inmitten der dortigen schönen Landschaft, familiär mit der berühmten Hofgärtnerfamilie Sello verbunden. An den damals beliebten Kunstschulen in Düsseldorf und Karlsruhe hatte er seinen Sinn für Dunst und Lichtstimmung geschärft.