© Siegfried Wielert

Romkerhall und sein Wasserfallfelsen

von Dr. Friedhart Knolle, Nationalpark Harz

Geologie und Erschließung eines geschichtsträchtigen touristischen Ortes

Im Oberdevon vor etwa 370 Mio. Jahren befand sich im heutigen Okertal wie im ganzen Harzraum ein Meer. Es war in Becken und Schwellen gegliedert. Auf den Schwellen, die näher an der Wasseroberfläche lagen, wurden Kalke abgelagert – die Geologen nennen es die karbonatische Schwellenfazies des Oberharzer Oberdevons. Das Gesteinspaket wurde vor etwa 330 Mio. Jahren gefaltet, versenkt, von eindringenden Graniten verändert, später wieder gehoben und dann durch die Erosion freigelegt. So kommt es, dass wir heute am Romkerhaller Wasserfall-Felsen und der westlich davon gelegenen Rabenklippe diese Kalke aufgeschlossen finden. Im dazwischen liegenden Okertal stehen Kulmtonschiefer an.
 
Der Aufstieg zum Wasserfall-Felsen erfolgt auf einem Hangweg nördlich des Felsens. Am Fuß sind einige Meter dunkle Tonschiefer-Hornfelse des Unterkarbon aufgeschlossen. Der Wasserfall-Felsen besteht bis zur Aussichtsplattform, ca. 65 m über dem Talboden, aus oberdevonischen Kalken, die tektonisch stark gestört sind. Durch den nahen, seinerzeit glutflüssigen Okergranit wurden vor ca. 290 Mio. Jahren alle Nebengesteine kontaktmetamorph verhärtet und überprägt.

Um den Verkehr zu fördern und zu erleichtern, begann man zu Anfang des 19. Jh. mit dem Ausbau den Wegen, auch im Okertal. Bis dahin war der Harz seiner schlechten Wege wegen berüchtigt. 1817 wurde nach einer Planung des Kammer-Sekretärs von Eschwege der erste Fahrweg im Okertal gebaut – er verlief unter dem Ziegenrücken entlang über die Studentenklippe und Kästenecke. Auch die Holzabfuhr war nun erleichtert und die Karawanen der Händler konnten bequem den Oberharz erreichen. Dieser schmale, romantische Weg ist noch auf der östlichen Talseite in der unteren Hanghöhe vorhanden und begehbar. Er senkt sich nach Romkerhall hinunter, wo eine große, gewölbte Steinbrücke die Oker überquerte.
Unter der Leitung des Oberbergmeisters Ahrend wurde dann die Anlage einer neuen, „bequemen Straße“ durch das Okertal bis zu den Birkentälern unternommen. Sie wurde von 1856 - 1861 unter großen Schwierigkeiten, welche die Sprengungen der großen, bis an das Uferbett reichenden Felsen verursachten, für die Summe von 28 945 Thalern angelegt. 1865 wurde unter Leitung des Oberhüttenmeisters zum letzten Mal Holz geflößt und das 1542 errichtete Rechenwehr unterhalb der Kirche in Oker abgebrochen. Danach konnte ein Holzschleifwerk nach dem anderen im unteren Okertal eingerichtet werden.
An den Felsen des Okertals fand zeitweise auch ein wenig umfangreicher Granitabbau statt, z.B. an der Ziegenrückenklippe oder am Großen Kurfürsten. Wir können heute froh sein, dass er nicht von langer Dauer war – die Landschaft hätte sehr gelitten.
Auch eine Talsperre war schon um 1850 zwischen der Kästenecke und dem gegenüberliegenden Scheckenkopf in Planung – sie sollte zur Trinkwasserversorgung von Braunschweig dienen.

Der heutige Wasserfallfelsen zog schon früh die Aufmerksamkeit auf sich. Hier stand lange Zeit eine Blockhütte als Unterkunft für Wanderer und Feriengäste. An deren Stelle fand 1861 die Grundsteinlegung zum Bau eines Hotel- und Wohnhauses statt – im Mai 1863 wurde es durch den Erbauer und Gastwirt H. Lüer sen. eingeweiht (Partner H. Lüer jun., Bödewig). Zur romantischen Attraktivierung wurde im gleichen Jahr der Bach der Kleinen Romke über einen etwa 350 m langen Graben zur Romke-Klippe umgeleitet, von wo er über den Wasserfallfelsen hinabstürzt – es ist der heute mit Abstand höchste Kunstwasserfall im Harz. Höchstwahrscheinlich kam die Anregung für die Einrichtung des Wasserfalls aus Bad Harzburg, wo wenige Jahre zuvor im Jahr 1859 der Radau-Wasserfall eingeweiht wurde. Um beide Attraktionen zu verbinden, wurde ebenfalls 1863 unter Leitung des Harzburger Badekommissars und ehemaligen Forstmanns Hermann Dommes ein Promenadenweg von Harzburg über die Käste nach Romkerhall angelegt.
 
1890 wurde der Hotelier Theodor Hulsch neuer Besitzer des Anwesens. Er stellte ab 1900 seinen eigenen Strom mittels einer Wasserturbine her. Die Familie Hulsch investierte kräftig, baute 1903 die Villa Helene als Pensionshaus des Hotels hinzu, legte 1925 einen Parkplatz nahe der knapp südlich gelegenen Okerbrücke an, errichtete 1928 den Anbau des Saals über die Oker und baute die Gebäude 1937 sowie 1940 erneut um. Seit 1944 diente die Villa Helene als Entbindungsheim für bombengeschädigte Mütter aus Braunschweig und Wolfenbüttel.
1945 erfolgte die Sprengung der Okerbrücken am Waldhaus und südlich Romkerhall – eine sinnlose Verteidigungsmaßnahme, die zudem das Anwesen schwer beschädigte. Der Einmarsch der US Army konnte damit nicht verhindert werden. Bis 1948 wurde das Anwesen wieder aufgebaut und setzte dann seinen Vorkriegsbetrieb fort. Erst 1979 verabschiedete sich die Familie Hulsch aus dem Betrieb – sie hatte das Haus 90 Jahre lang geführt.
Wechselnde Besitzer konnten seitdem an die Erfolgsgeschichte nicht anknüpfen.
1988 erfolge die publikumswirksame Ernennung zum „Königreich“ – die angeblich zugrundeliegende Geschichte ist jedoch nicht mit Quellen belegt und vermutlich weitgehend frei erfunden. Eine neue Besitzerin versucht seit einigen Jahren, den Betrieb auf eine neue Grundlage zu stellen. Möge ihr Erfolg beschieden sein.

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